Mach mal nen Punkt.

Menschen quasseln in Messengers ohne Punkt und Komma. Wie wörtlich man das nehmen darf, zeigt der eigene Chatverlauf. Wann haben Sie das letzte Mal bewusst einen Punkt an ein Satzende gesetzt? Zeit, sich ein paar Gedanken über das kleinste Satzzeichen zu machen.

Ich habe eine Bitte an Sie: Nehmen Sie Ihr Smartphone oder Tablet zur Hand, was Sie vermutlich ohnehin schon tun, und öffnen Ihren Lieblings-Messenger. Und dann sehen Sie sich mal Ihre letzten Chatverläufe an.

Alles ganz normal, meinen Sie?

Schauen Sie nochmal genauer hin. Ich wette, Sie machen es wie so viele andere, wie ich natürlich auch — und verzichten in der Regel auf den Punkt am Satzende. Oft findet stattdessen ein Emoji seinen emotionsuntermauernden Einsatz 🤓

Im unmittelbaren Geschreibe mit den Anderen fällt das gar nicht auf. Ist doch nur klar, dass man auf diesem schnellen Kommunikationsweg lieber auf den Punkt kommt und daher auf ihn verzichtet — das verschwendet ja nur unnötig Zeit!

Beim iPhone ist ja auch Siri für die Zeichensetzung zuständig – man tippt zweimal das Leerzeichen („Hallo, Siri, hier geht ein neuer Satz los!“), und Siri setzt brav einen Punkt. Bevor man einen Text absendet, setzt kaum einer keine zwei Leerzeichen oder manuell einen Punkt. Der andere weiß ja, dass der Satz jetzt zu Ende ist

außer man liefert gleich nochmal was nach.

Die schludrige Zeichensetzung fällt kaum ins Auge. Macht ja auch nix, es geht ja nur um reinen Gedanken- und Informationsaustausch. Ein Deutschlehrer mit Rotstift sieht hier selten zu, und selbst wenn, wird vermutlich auch er auf den Punkt an den meisten Satzenden verzichten. Chatten ist ja näher am Reden denn am Schreiben dran, da muss es nicht korrekt zugehen.

Aber wenn ich nachträglich in meine Chatverläufe sehe, wird mir schier schwindelig, in welchem Tempo die Satzfetzen durchrauschen:

In dem Moment, wenn man sich schreibt, bemerkt man die Hektik gar nicht, die so ein Text ausstrahlt. Im Gegenteil: Wird mal ein Punkt gesetzt, wohnt ihm schnell etwas Strenges inne. Er hat etwa von einem „Hier ist die Diskussion zu Ende.“, etwas Rigides, etwas, das jetzt unmittelbar seine Pause einfordert. Was man heute nicht mehr unbedingt so gewöhnt ist. Lieber spielt man sich gegenseitig einen schnellen Text zu, der – und sei es nur unbewusst — offen niemals Stille einfordert.

Beim Laut-Lesen in der Grundschule hat man es noch gelernt: Wenn ein Punkt kommt, geht man mit der Stimme runter. Somit weiß der Zuhörende: Jetzt ist der Satz zu Ende. Text wird damit klarer. Ein Punkt ist somit auch ein Zeichen der Höflichkeit. Ein freundliches „Ich bin zu Ende, jetzt bist Du dran!“.

Ich stelle an mir selbst immer wieder die Unart fest, wie ich tippe, obwohl ich sehe, dass der andere tippt. Während die drei Punkte des anderen noch blinken, haue ich noch drei, vier Sätze hinterher. Eigentlich verdammt unhöflich. Leider bin ich ab und an so ein unangenehmer Zeitgenosse, der auch mal antwortet, während der andere noch spricht. Das ist mir dann selbst so unangenehm, wie wenn Popcorn unkoordiniert aus dem Topf springt. Wenigstens habe ich es meistens raus, schnell den Deckel draufzumachen.

Ich will mich dem kleinsten Satzzeichen wieder häufiger widmen. Es verdient meine Aufmerksamkeit. Immerhin lenkt es dieselbe wieder aufs Wesentliche: Auf die Stille zwischen den Sätzen, auf das, was nachwirkt, nachschwingt. Der Punkt lässt dem Anderen und mir selbst wieder mehr Raum. Denn mit seiner kleinen und gleichzeitig so klaren Begrenzung schafft der Punkt Raum — und Platz für Neues. Denn nicht nur dem wohnt ein Zauber inne, sondern eben einem klaren Ende.

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